Nachdem ich meine Schäfermix-Hündin im Alter von 14 Jahren schweren Herzens einschläfern lassen musste, war trotz aller Trauer schnell klar für mich, dass ich wieder einen Hund aus dem Tierschutz bei mir aufnehmen möchte. Als ich auf die Lebensgeschichte von Sultan stieß war ich sehr erschrocken und ergriffen und die Vorstellung, dass dieser trotz seines hohen Alters noch nie ein richtiges Zuhause hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Obwohl oder eher gerade weil mir bewusst war, dass Sultan ein etwas komplizierterer Hund ist und mit seinen über 12 Jahren zudem ein wirklicher Senior, obendrein mit schlechten Vermittlungschancen, wollte ich ihn gerne kennenlernen. Ältere Hunde sind so liebenswert, und sie haben ein warmes, weiches Plätzchen und viel Aufmerksamkeit einfach verdient! Auch die Vorstellung, dass er eines Tages im Tierheim sterben würde, ohne je ein Zuhause gehabt zu haben, konnte ich nicht ertragen.
Das Kennenlernen fand dann sehr behutsam statt, über knapp drei Wochen habe ich ihn fast täglich im Tierheim besucht und bin zusammen mit ihm und seinen Bezugspersonen Bärbel Knollmann und Andrea Gering, bei denen ich mich auch noch ganz herzlich für ihre Zeit und ihr Engagement bedanken möchte, spazieren gegangen. Sultans anfängliche Skepsis mir gegenüber bröckelte allmählich, so dass ich ihn bald sogar anfassen durfte. Das Geheimnis hierbei war, mit viel Geduld und Zeit darauf zu warten, dass Sultan auf mich zukam anstatt mich ihm aufzudrängen. Als er sich dann das erste Mal vor mir auf dem Boden kugelte und am Bauch gestreichelt werden wollte, war ich mehr als gerührt!
Insgesamt habe ich wenige Erwartungen an Sultan gestellt, denn nach seiner Vorgeschichte wäre es mehr als verständlich gewesen, wenn er eher auf Abstand zu mir geblieben wäre. Das wäre für mich in Ordnung gewesen, mein einziger Wunsch war es, ihm nach all den schlechten Erfahrungen und all den Jahren im Tierheim einen schönen Lebensabend zu ermöglichen. Die Selbstverständlichkeit, mit der er aber schon nach so kurzer Zeit meine Nähe sucht, freut mich daher umso mehr. Generell hat Sultan mich in allen Belangen überrascht und gewöhnt sich so viel leichter an sein neues Leben, als ich es mir hätte vorstellen können.
Er lernt konzentriert und schnell, von den Grundkommandos bis hin zu Schnüffel- und Apportierspielen ist er mit großem Eifer dabei. Auch das Alleinebleiben trainieren wir allmählich und er macht sich wirklich gut, alles bleibt heile. Sicher, seine Sorge gegenüber anderen Menschen muss bei jeder Begegnung und jedem Besuch berücksichtigt werden, ich bin aber sehr zuversichtlich, dass er auch hier noch an Vertrauen gewinnen wird. Er ist wirklich ein „schüchterner Schmuser“, wie es das Tierheim formuliert hatte. Wenn Sultan seine Streicheleinheiten einfordert und sich an mich kuschelt und trotz seiner Größe regelrecht auf meinen Schoß krabbelt, dann bin ich erleichtert und froh, dass ich ihm diese Zuwendung geben kann.
Traurig macht es mich allerdings, dass er so viele Jahre auf sein Zuhause warten musste. Die Entscheidung, einem alten und vielleicht auch schwierigen Hund eine Chance zu geben, sollte sicherlich nicht leichtfertig oder nur aus Mitleid heraus getroffen werden. Trotzdem möchte ich auch andere Menschen ermutigen, diesen Schritt zu gehen. Denn man sollte nicht darauf vertrauen, dass schon jemand anderes handeln wird. Ich jedenfalls habe keinen Augenblick bereut, Sultan bei mir aufgenommen zu haben und ich freue mich, ihn jeden Tag besser kennenzulernen. Er ist wirklich ein Schatz, und ich hoffe sehr, dass wir noch eine lange gemeinsame Zeit haben werden!